Menschen 9

Aus der Drogerie tritt ein Mann, achtet nicht auf den Weg, nicht auf die Umgebung. Seine ganze Konzentration gilt dem Päckchen, das er in der Hand trägt, das er nun sorgsam öffnet: Entwickelte Fotos. Vorsichtig holt er die Bilder aus ihrer Verpackung, betrachtet sie, nimmt sich Zeit für jedes einzelne, beschaut die Motive, beschaut scheinbar jedes Detail. Dann fängt er an zu schmunzeln, zu grinsen. Zu lachen.
Ich gehe vorbei, er sieht auf und lacht mir ins Gesicht, ausgelassen, fröhlich.
Ich lache auch, innerlich, wünsche mir einen Photoapparat, um diesen Augenblick festzuhalten und immer wieder neu in stilles Gelächter ausbrechen zu können.

Abgehetzt und grimmig betrete ich die Apotheke. Es ist kurz vor acht am Samstag Abend, kurz vor Ladenschluß. Bevor ich den Atem für Worte finde, lächelt mich die Apothekerin freundlich an:
„Wollen Sie ein Glas Wasser?“
Ich schaue erstaunt, vergesse meinen Unmut, schüttle zögernd mit dem Kopf:
„Bin … nur … recht schnell … gefahren … Danke …“, keuche ich.
„Sie hätten sich doch Zeit lassen können. Wir haben doch noch zehn Minuten auf.“
Ihr Lächeln steckt an.
„Ich wußte ja nicht … wollte noch … brauchte noch was Eßbares … für morgen.“
Sie läßt nicht locker.
„Ich kann Ihnen ein paar Bonbons anbieten.“
Dankend lehne ich ab, grinse von einem Ohr zu anderen.
‚Warum‘, frage ich mich, als ich die Apotheke wieder verlasse, ’sind Menschen viel freundlicher, wenn ich schlechte Laune habe…?‘