Über Liebe, Abhängig- und Unvollständigkeit

Liebe ist kein Triumphzug
Sie ist nur ein schwaches
Halleluja.
“ [Janus]

Ein Faktor innerhalb der Liebe, dem ich bisher wenig Beachtung schenkte, ist die Abhängigkeit. Ich meine nicht die Liebe als Sucht, sondern die Abhängigkeit vom Objekt der eigenen Liebe.

Die Freundin meines Mitbewohners war unlängst in Irland – für acht Monate. Im Herbst wird Sie für weitere acht Monate nach Wales reisen. Diese Ferne würde mich vermutlich zerfetzen. Ich bin der Ansicht, daß Liebe jedes Hindernis zu überwinden vermag [wie romantisch…], und glaube, daß auch hier nach den Monaten der Trennung die Liebe in neualten Blüten erstrahlen wird. Acht Monate sind ein kurzer Zeitraum im Angesicht einer ewig währenden gemeinsamen Zukunft [woran Liebende nunmal zu glauben pflegen]…

Warum aber fährt Sie fort? Warum läßt Sie einen Wartenden zurück, der vermutlich nicht anderes kann, als wegen Seiner Studien hier zu bleiben? Warum verharrt Sie nicht im Alltäglichen?

Ich kenne die beiden, ihre Beziehung, und freue mich für Sie, die Fortfahrende, leide zugleich mit ihnen beiden ob ihrer anstehenden Trennung. Doch Er neigt zu Gewohnheiten, zur Stagnation, zu Prinzipien in jeder Lebenslage, neigt dazu, Sie vergessen zu lassen, wie wichtig Sie für Ihn ist. Und das ist Sie zweifelsohne. Zwar wagt Er selten eine zärtliche Berührung, einen Kuß, eine Umarmung, doch bemüht Er sich, Ihr jeden Weg zu erleichtern, Ihr mit allen, einer Öffentlichkeit aussetzbaren Mitteln zu zeigen, wieviel Sie Ihm bedeutet.

Ich bin mir nicht im Klaren über ihre Zweisamkeiten, doch sicher darüber, daß viele Gewohnheiten in das Leben der beiden eingezogen sind, aus denen auszubrechen sich zuweilen lohnen würde.
Vielleicht flieht Sie tatsächlich, nicht für immer, nur für ein paar Momente, um Ihre Beziehung anschließend noch höher schätzen gelernt zu haben, um die Alltäglichkeiten wieder zu lieben.

Alltäglichkeiten werden in jeder Beziehung auftreten, werden zwei Menschen unbewußt aneinander fesseln. Davor fürchte ich mich nicht. Doch Furcht überkommt mich in dem Augenblick, in dem sich herausstellt, daß außer Alltag nichts verblieb.

Für Ihn, den Zurückbleibenden, stellt sich noch ein weiteres Problem dar: Ein fester Teil Seines Hier und Jetzt nimmt Abstand, verweilt in der Ferne [und ist dort mit Interessantem, Neuem konfrontiert und voerst abgelenkt…]. Sein Verlorensein ist unabdingbar, ein Verlorensein in einer Welt, die nur noch aus Ihm selbst besteht.

Und das ist es, was ich mit Abhängigkeit meine. Hat man einmal tiefe, innige Liebe im eigenen Herzen entdeckt, so ist das Fehlen dieser einer Unvollständigkeit gleichzusetzen, die zwangsläufig zu Unbehagen führt. Erfahren zu haben, was Liebe bewirkt, was sie bedeutet, läßt ihre Abwesenheit schmerzen, als hätte das eigene Leben eine Bereicherung erfahren, deren anschließendes Fehlen aber ein Loch, eine namenlose Leere bedeutet.
Liebe ist ein Luxus, den man nach dessen Gewinn nicht mehr missen möchte.

Dazu gehören auch die Alltäglichkeiten.
Diese erwecken das Bewußtsein der Gegenwart der Liebe, werden schließlich untrennbar mit ihr verbunden. Die gemeinsamen Gewöhnlichkeiten stellen also trotz ihrer Profanität etwas Besonderes dar, da sie zum Symbol der Liebe und deren Tiefe geworden sind.
Fehlt nun durch Trennung auch jene unbedeutende Alltäglichkeit, bekommt der Liebende die Abhängigkeit von Liebe, von mit Liebe verbundenen Gewohnheiten zu spüren, führt die gleiche Leere wie jener, dessen Existenz der Liebe völlig beraubt wurde.

Liebe, selbst wenn sie noch nicht in gemeinsame Alltäglichkeiten ausarten konnte, bedeutet Abhängigkeit. Denn selbst der frisch Verliebte sehnt sich nach Zeichen, nach Bestätigung und vermag sich ohne Symbole, welche die Gegenwart der Liebe verifizieren, nicht wirklich glücklich zu fühlen.

Jeodch bin ich nicht so vermessen, diese Abhängigkeit als etwas grundlegend Negatives zu erachten, ist es auch sie nur ein Symbol für eine Schönheit, die jeglicher Beschreibung trotzt, für ein Empfinden, dem wohl die höchste aller Bedeutungen zukommt.

[Im Hintergrund: Nine Inch Nails – „With Teeth“]

2 Gedanken zu „Über Liebe, Abhängig- und Unvollständigkeit“

  1. Lieber Morast,
    Nun habe ich es doch getan ! Ich habe mich bei twoday angemeldet, damit ich hier kommentieren kann. Denn das Kommentieren zu diesem Artikel hier liegt mir schon seit gestern Abend am Herzen.
    Herr Morast, Sie haben so recht mit ihren Bemerkungen über die Liebe !
    Ich finde es gut, dass die Freundin des Mitbewohners nach Irland geht, auch alleine. Erst durch die Trennung wird doch bestätigt, dass die Beziehung auch „etwas wert“ ist. Wahre Liebe wartet. Hier doch etwas anders angewandt, als auf die Jungfräulichkeit bezogen.
    Wobei ich persönlich das nicht könnte. Ich würde Amok laufen, wenn mein Freund, den ich nicht habe, so lange weg wäre. Aber gut, das es bei anderen möglich ist. Auf der anderen Seite ist das Alleinsein immer mal wieder gut, um seinen eigenen Charakter auszubilden und zu festigen (und sich noch mehr dumme Marotten anzueignen)
    Was die Abhängigkeit betrifft, so hat sie zwei Gesichter. Es ist „gut“, in einer Abhängigkeit zu leben, wenn man weiss, dass man sich fallenlassen kann und aufgefangen wird. Man wird so geliebt, wie man ist. Auch wenn das manchmal schwer nachzuvollziehen ist. Aber der Übergang in die extreme Abhängigkeit ist fließend. Ach und wer ist heutzutage schon glücklich in der Liebe.
    Fand das Ergebnis einer Umfrage mal sehr bedenklich: „Soundsoviel Prozent derer, die in einer Beziehung leben, würden ihren jetzigen Partner für ihren Traumpartner verlassen“. Hallo ?? Was sagt ihr denn zu dem aktuellen Partner ?
    „Schatz, ich hab Dich lieb, aber ich warte nur, bis der Richtige kommt ?? “
    Ständig ist die Mehrheit auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau oder eben nach dem „Traumpartner“. Das halte ich für doof. Ich sehe das als eine Art Kompromiß: Ich nehm Dich so wie Du bist, dafür nimmst Du mich so, wie ich bin. Man sucht sich eben jemanden, mit dessen Macken man am ehesten klarkommt und umgekehrt. Nur steigt irgendwie die Toleranzgrenze mit zunehendem Alter. Ich merk´s an mir selbst.
    Nun aber mal Schluß. Sonst platzt das Kommentarfeld.
    EIn schönes Wochenende wünsche ich.

  2. REPLY:
    Liebe Kokolores,

    das freut mich aber sehr, daß Sie die Anmeldung wagten. [Warum benutze ich eigentlich das förmliche „Sie“?]

    Bei der von mir beschriebenen Beziehung bezweifle ich übrigens nicht im Geringsten, die sie die gegenseitige mehrmonatige Abstinenz überstehen und danach in neuen Farben schillern wird.
    Das jedoch ist nicht bei allen Beziehungen, die mir geäufig sind, der Fall.
    Eine Freundin von mir beispielsweise hat wenig Geduld mit den Männern, hat sich – merkwürdigerweise – bevor sie Ihn richtig kennenlernte, in Ihn verliebt. Dementsprechend schnell wird auch die Beziehung beendet, da oft schnell klar wird, daß das Ganze nicht auf Dauer gutgegehn kann. Sie sucht torztdem noch immer nach dem „Richtigen“, empfindet es selbst als merkwürdig, daß ihr dieser, trotz unzähöiger Versuche, noch nicht untergekommen ist und würde wohl auch, wenn sie von einem Neuen der Meinung ist, dieser müsse es sein, ihren gegenwärtigen Kerl verlassen.
    Eine traurige Sache.
    Komischerweise bin ich innerhalb einer Beziehung stets der Absicht immer der Blümchenmeinung, diese würde ewig währen. Das hat die letzten nicht davon abgehalten zu zerbröckeln, doch mein Glaube daran verschwand nicht.
    Vielleicht ist dieses Denken völliger Irrsinn [Das einzig Unvergängliche ist die Vergänglichkeit.], vielleicht aber auch der einzig richtige Weg, eine Beziehung zu betrachten: Als etwas, das die Möglichkeit besitzt, kein Ende zu haben.

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