Zufallsbloggen

Eine äußerst alberne Idee, die ich bei stackenblochen entdeckte und natürlich sofort aufgreifen mußte, war folgende:

1. Schnapp Dir das nächst greifbare Buch.
2. Blättere zu Seite 23.
3. Finde den 5. Satz.
4. Poste den 5. Satz und setze diese Anleitung davor.

Man beachte die Zahlen 23 und 5, die mich vollends von dieser Kasperei überzeugt hätten – wäre ich nicht schon längst begeistert auf der Suche nach ebenjenem Satz gewesen:

„Aber natürlich, so setzte Owen Meany mir auseinander, war ich erst elf, als sie starb, und meine Mutter erst dreißig; wahrscheinlich hatte sie gedacht, sie hätte noch eien Menge Zeit, um mir diese Geschichte zu erzählen.“

[aus: John Irving – „Owen Meany“]

Aus der Ferne

Ich kenne sie nicht. Ihr Name ist ein nie vernommener Klang in meinem Ohr, ein Stück Leere, wo Silben hätten die Stille befüllen sollen.

Ich kenne sie nicht, doch weiß genug, um mich fernzuhalten, um ihre Unerreichbarkeit zu respektieren, um keine Worte, nur Gedanken, zu verlieren.

Ich kenne sie nicht. Einst waren wir Teil desselben Dialoges, ein jeder als erwähnenswertes Anhängsel der eigenen Begleitung. Irgendwann in der Vergangenheit, als wir auf einer Wiese den ersten Strahlen eines fernen Frühlings frönten.

Ich kenne sie nicht, doch begegne ihr häufig, versuche ihre Blicke zu fangen, grüße sie mit einem Lächeln, mit einem leichten Nicken des Kopfes , mit zwei gehauchten Silben.

Und jedesmal grüßt sie zurück. Brennt ihr Lächeln in meinen Geist, bezeugt ihre unschätzbare Schönheit.

Vielleicht verliebte ich mich – einst, damals, als ich längst liebte. Vielleicht ist es nur ihr Antlitz, das mich verzauberte, immer neu verzaubert, ihr Lächeln, das mich reizt, mich träumen, versonnen gleichfalls lächeln läßt.
Vielleicht.

Ich kenne sie nicht. Doch dessen bedarf es nicht, um ihre Schönheit zu verehren, jeden ihrer Schritte erfürchtig betrachten zu wollen, um in leisen Augenblicken heimlich von ihr zu träumen…

Amüsant ist …

… bei einer thematisch anders orientierten Suche festzustellen, daß mein einstiger Praktikums-Betreuer Rodriguez einen außergewöhnlichen Vornamen besitzt:
Stalingrado.

Mogelnde Forscher

Eine US-Studie will herausgefunden haben, daß jeder dritte Forscher mogelt.

Die Erklärung dafür ziehe ich ohne Zögern aus meinem inexistenten Hut. Menschen, insbesondere Forscher, neigen dazu, gegebene Umstände prinzipiell irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten unterordnen zu wollen. Zuweilen sorgt äußerer Druck dafür, manchmal wird aus eigenem Entschluß agiert.

Typisch jedoch ist, daß trotz ausführlicher Fehlerauswertungen nicht alle Ergebnisse in das nachzuweisende Gesetz hineinpassen. Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Schuld bei dem „Ausreißer“ zu suchen, ihn zu ignorieren bzw mit fadenscheinigen Ausreden für nichtig zu erklären. Oder ihn zu akzeptieren und der Gesetzmäßigkeit diverse, besondere Bedingungen beizuordnen, die letztendlich darauf hinauslaufen, daß ein korrektes Ergebnis unter realexistierenden Bedingungen nicht erreichbar ist [Man betrachte nur die Physik, wo die Existenz diverser Gesetzmäßigkeiten die Vernachlässigung möglichst vieler nichtidealer Begleitumstände voraussetzt.].

Forschungen können nur betrieben werden, wenn auf ein Ziel hingearbeitet wird. Einfach in den leeren Raum hineinzuforschen, kann sich niemand leisten. Doch das ergebnisorientierte Denken zieht mit sich, daß ein unerwartetes Ergebnis nicht als zulässig erachtet werden kann – und demensprechend behandelt werden muß.

Fraglich jedoch bleibt eines: Wieso soll man einem Forschungsergebnis Glauben schenken, das beweist, daß man Forschungsergebnissen keinen Glauben schenken sollte?

Menschen 15

Nachdem ich in der Drogerie der älteren, stark geschminkten Dame mit ihrer hochtoupierten Weißhaarfrisur freundlicherweise an der Kassenschlange vorgelassen hatte, ohne daß diese die Tat mittels eines freundlichen Wortes, eines winzigen Lächelns oder auch nur eines einzigen Blickes in meine Richtung gwürdigt hätte, konnte ich nicht umhin, als das Innere ihres Einkaufswagens zu begutachten: Eine Flasche Wein, eine Kerze, eine Karte.

„In tiefster Trauer und Anteilnahme.“, war auf der Karte zu lesen.
Moment! „Trauer und Anteilnahme“?

Ich blickte zu der Dame, deren helle Kleidung keinen Aufschluß über mögliche Trauer gab, deren Miene Desinteresse und Unmut über den auszuführenden Einkauf zeigte. Ich blickte in ihren Einkaufswagen und begriff: Eine schlichte Karte und eine Flasche Merlot für die Kondolenz und eine moderne, aber neutrale, in Grüntönen gehaltene Kerze für das Grab – ein optimales und vor allen Dingen preisgünstiges Rossmann-Universal-Trauerpaket.

Ich gebe zu, Verbitterung beschlich mich bei diesem Gedanken. Aber weder Wein noch Trauerkarten sollten nebenbei in einer Drogerie erstanden werden, bekommt doch dadurch der Anlaß, der Tod eines bekannten Menschen, einen Anstrich von Gewöhnlichkeit, von Alltäglichkeit verpaßt, als wäre – bloß weil immer wieder Menschen sterben – der Tod eines einzelnen nichts besonderes mehr und könne mit dem Rossmann-Universal-Trauerpaket einfach beiseite gewischt werden.