Manja

Es ist lange her, seit ich das letzte Mal an sie dachte.

Gern würde ich darüber berichten, wie ich sie kennenlernte. Doch ich lernte sie nie kennen. Und sie mich erst recht nicht.

Wenn ich sie sah, blieb ich stehen, schaute ihr nach, träumte sie heimlich in meine Nähe. Wenn sie an mir vorüberging, lächelte ich, doch nicht zu ihr, nur in mich hinein, tauchte für einen Augenblick in ihren Duft.

Sie war bezaubernd, wunderschön. Das wußte nicht nur ich. Sie bildete den steten Mittelpunkt, die Attraktion jedes Raumes. Ihr Haar leuchtete wie Sonnenschein, und wenn sie lachte, hielt ein jeder den Atem an, um daran Anteil nehmen zu können.

Ihre Ferne, mein Schweigen, zerriß mir bei jeder Begegnung die Brust. Sie sah mich nicht, sah mich nicht an, obgleich ich ihre Augen suchte, obgleich ich in solchen Momenten nur für sie zu existieren glaubte.

Ich kannte keinen Namen, den ich nachts sehnsüchtig mit den Fingern auf mein Kopfkissen schreiben, den ich in trüben Momenten leuchtend vor mich halten konnte, nur ihr Bild, ihre Augen, ihr Lächeln, ihr Haar.

In meinem Kopf entdeckte ich Möglichkeiten, Welten, in denen ich ihr begegnete, Grund hatte, sie anzusprechen, ihren Blick auf mich zu ziehen, mit freudigem Funkeln zu füllen, erfand Begebenheiten, die ihr mich zeigten, die sie begreifen machten, was ich war, wer ich war, was ich fühlte.

Eines Tages rief jemand ihren Namen.
Manja.

Wie Morgentau perlte er durch meine Sinne, erfrischte, liebkoste mich. Ich lächelte, als wäre ein Traum wahr geworden, als wäre sie erwacht und hätte mich gefunden, meiner Stille entrissen.
Ich hörte ihren Namen und verbarg ihn tief in meinem Inneren.

Näher kam ich ihr nie.