In letzter Zeit achte ich häufiger auf Automobilinnereien, insbesondere auf Rückspiegelbehängungen. Jedoch interessiert mich eigentlich kaum, mit welchem Sinnloskram sich Autofahrer das Sichtfeld beschränken, sondern ich suche nach Dingen, über die ich mich immer wieder aufregen kann: Traumfänger.
Vermutlich hat ein jeder von uns schon mal Blickkontakt zu einem Traumfänger gehabt: Ein hölzerner, kreisrunder Reifen aus Weide [oder holzimitierendem Kunststoff], der mit einer Art hauchdünnem Netz bespannt und dekorativ mit Perlen und Federn behängt ist. Traumfänger dienen indianischem Glauben zufolge dazu, böse Träume zu fangen. Über dem Nachtlager aufgehängt funktioniert der Traumfänger wie eine Art Filter und läßt nur die guten Träume durch seine Maschen schlüpfen. Dagegen ist nichts einzuwenden, nicht nur weil Traumfänger im Allgemeinen durchaus angenehm anzusehen sind. Auch die Funktionalität möchte ich den Traumfängern nicht absprechen.
Doch ich frage mich immer wieder, was Traumfänger an Automobilrückspiegeln zu suchen haben.
Ja, ich weiß, es gibt Menschen, denen zuweilen nichts anderes verbleibt, als in ihrem Gefährt zu nächtigen. Doch verweise ich darauf, daß ebenjene Bettlosen vermutlich die platzärmeren, unbequemen Vordersitze zugunsten der schlafoptimalen Rückbank verlassen werden, so daß also der Traumfänger besser im hinteren, nicht im vorderen Teil des Wagens aufgehängt werden sollte.
Aber meine Beobachtungen ergaben Eindeutiges: Traumfänger in Kraftfahrzeugen befinden sich nicht hinten, sondern stets am Rückspiegel, stets in unmittelbarem Sichtbereich des Fahrenden.
Dabei sollte doch allgemein bekannt sein, daß während der Autofahrt praktizierter Schlaf unangehme, gesundheitsvernichtende Eigenschaften besitzt, die zu erfahren sich die wenigsten wirklich wünschen werden. Was nützt ein Traumfänger, der die bösen Träume aussiebt und nur die guten durchläßt, wenn man während des Erwachens feststellt, daß der eigene Schlaf von nun an endlos währen wird?
Selbst der allerorts gefürchtete Sekundenschlaf wäre ohne Traumfänger weitaus weniger lebensbedrohlich, bestünde doch so noch die – zugegebenermaßen recht unwahrscheinliche – Möglichkeit, daß böseste Traumgestalten den Schlafenden schweißgebadet aufschrecken und erwachen ließen – und ihm dadurch das durch die Gegend fahrende Leben retten.
Ich bezweifle nicht, daß Traumfänger imstande sind, Albträume und deren unfreundlichen Gefährten vom Schlafenden fernzuhalten, doch hege starke Zweifel, ob sich auch entgegenkommende Autos und festinstallierte Bäume oder Leitplanken von diesem indianischen Konstrukt aufhalten lassen.
Was also nützt ein Traumfänger im Auto? Stellt er gar nur eine rein dekorative Maßnahme dar, welche die eigene Glaubensfähigkeit oder auch nur die eigene Pseudo-Massenunabhängigkeit wiederspiegeln und signalisieren soll? Sind Traumfänger schlichtweg „schön“ genug, um „einfach so“ hingehängt zu werden, ohne deren Bedeutungstiefen zu hinterfragen [Ähnlich jener keltischen, japanischen oder hawaiianischen Tattoos, die zwar irgendetwas heißen, aber allein durch ihr Aussehen das Privileg vermittelt bekommen, in die Haut gestochen zu werden.]? Oder wohnt ihm tatsächlich eine Funktion inne, die das Aufhängen dieses okkulten Gegenstands in einem modernen Fortbewegungsmittel rechtfertigt, eine Sinnhaftigkeit, die mir bisher verborgen blieb?
Ich weiß es nicht, doch dürstet es mich nach einer Antwort…