Erstaunlicherweise stelle ich an jedem Abend das Gleiche fest, ohne mich von dieser keineswegs nützlichen Angewohnheit zu trennen (oder auch nur trennen zu wollen):
Wenn der 20.15-Film in den letzten Szenen liegt, meine Mitbewohner sich allmählich auf Bäder und Betten [in dieser Reihenfolge] hinzubewegen gedenken, bleibe ich noch wach, erkunde Innerwelten und ferne Gedanken, schließe meine Zimmertür und lasse die Zeit außen vor. Aus den verstaubten Lautsprecherboxen dümpeln ruhige Dunkelklänge und entreißen mich meiner Welt. Ohne es zu bemerken, lächle ich meiner Sehnsucht zu, begrüße sie wie einen alten Freund, forme wortlos unsagbare Gedichte, tanze reglos im Takt meines klanglosen Singsangs. Für einen Augenblick halte ich den Atem an, spüre die Ewigkeit meine Seele streifen, denke an dich, wer immer du sein magst.
Irgendwann erwache ich aus mir, um mich unter Decken zu verkriechen und in Traumwelten zu flüchten, suche ermattet den Schlaf wie ein Dürstender den Fluß, lasse mich treiben, um mich erneut zu verlieren. Ein letzter Blick gilt der Gefühllosigkeit meines Weckers, gilt der Zeit, die den Weg zu mir gefunden hat und mich strafend betrachtet.
Ich höre das Läuten, bevor es erklingt, erwache von der Ahnung, einen neuen Tag bewältigen zu müssen. Dem Kommenden ahnungslos ausgeliefert suche ich Schutz in körperwarmen Laken, in verblassenden Träumen, kämpfe kraftlos gegen Müdigkeit und Erwachen zugleich. Resignierend erhebe ich mich, schleppe meinen Leib unter lebendig brausendes Wasser, in knittrige Kleidungsstücke mit Waschmittelgeruch und schwöre feierlich mit triefender Zahnbürste, den kommenden Abend mit Schlaf, mit nichts anderem als Schlaf, zu befüllen.
Wenn der Tag dann schwächelnd hinter der Finsternis versinkt und meine Mitwelt die schweren Lider müde schließt, beginne ich jedoch erneut mit meiner Flucht aus dem Ausweglosen, mit meiner Suche nach dem Namenlosen, mit meiner Sehnsucht nach dem Unfindbaren, bis daß der Schlaf mich wieder fängt und mir selbst entführt…