Adressat: Verstorben.

Eine Urlaubspostkarte zu finden, die ich niemals abschickte, die niemals einen kretischen Briefkasten von innen sah, niemals ihr Ziel erreichte. Worte, nichtssagend und hohl, Postkartentypischer Klischeeinhalt, und doch voller Freude über den Moment, über dessen Schönheit.

Adressat: Verstorben.

Wie ein höhnisches Grinsen füllen die Namen meiner Eltern die Adreßzeile. Wie ein aufgesetztes Lächeln wirkt die Anrede. „Liebe Mami, lieber Vati“.

Zu erfahren, daß mein Vater verstarb, während ich auf Kreta verweilte, den Sonnenschein, das Meer, das Leben, genoß, daß mein Vater verstarb, ohne daß ich ein letztes liebes Wort an ihn hatte richten können, zu bemerken, daß die Postkarte, an meine Eltern, an Mutter und Vater, gerichtet nur Mittelmeersalz in heimische Wunde, nur Pein, zusätzlich-unnötiger Schmerz darstellen würde, ließ die Karte, mit Worten vollgekritelt und sonnigem Urlaubsmotiv verschwinden, irgendwo in den Untiefen meiner Zeichnungen, meiner Notizen.

Und nun halte ich sie in den Händen, die Postkarte ohne Ziel, das Zeichen Vergeblichkeit, als hätte sie auf mich gewartet, in Stille, höhnisch, herzlos.

Mich verschließend fliehe ich [der Angst folgend] irgendwohin in hellere Denkgefilde, finde mich, ein Leben suchend, das jeden Augenblick beendet sein könnte, auf eine Postkarte wartend, die mich nie erreicht.

Wider die Angst

Mein heutiges Dasein aus einem zukünftigen, postmortalem Blickwinkel betrachtend stelle ich zuweilen gewisse Parallelen zu einem Film fest, den ich einst sah, einem, in dem nach dem Tode eine Art Zwischenstation eingerichtet war, in dem entschieden wird, ob die eigene Seele gen Himmel oder gen Hölle zu fahren habe. Um dies beurteilen zu können, werden – einem Gerichtsprozeß gleich – verschiedene Szenen des eigenen, vergangenen Lebens auf einer Art Videowand dargestellt, wobei sich sowohl der Verteidiger, der einem den Weg nach oben ebnen soll, als auch derjenige, der alles in Frage stellt, Szenen aussuchen darf, die ihre jeweilige Position bekräftigen.

Ich befürchte fast, daß in dem von mir bedachten Film, der tatsächlich als Vergleich zu meiner Sichtweise herhalten soll, Meryl Streep und Chevy Chase [Möge es nicht Chevy Chase gewesen sein!] einander in diesem Zwischenreich kennenlernen. Und während die Meryl-Streep-Figur ein tadelloses Gutmenschen-Dasein geführt hatte, weil sie irgendwelche Hunde aus brennenden Häusern rettete, hat die Chevy-Chase-Figur damit zu kämpfen, kein sonderlich gutes Leben geführt zu haben. Denn das Fazit aller Lebensabschnittsbetrachtungen lautete bei ihm jedesmal, daß es einzig die Angst war, die sein Handeln und Nichthandeln bestimmte.

Und tatsächlich stelle ich mir genau diese Frage: Ist es die Angst, immer wieder die Angst, die mein Leben bestimmt, meine Schritte lenkt?

Zu oft schon mußte ich mir ein beschämtes „Ja.“ zur Antwort geben und gleich darauf meine Gedanken nach dem Warum zermartern. Ich bin träge, das weiß ich, doch will ich ändern, will ich immer wieder ändern.
Erst unlängst ward [nur im Scherz, doch ernst genug, um mich darüber nachsinnen zu lassen] festgestellt, daß ich ein passiver Mensch sei, und ich bin geneigt, dem zuzustimmen. Nicht immer, nicht in jedem Bereich meiner Existenz, doch in zu vielen, zu oft.

Blicke ich also irgendwann aus meiner Nachtodzukunft auf mich zurück, so will ich nicht begreifen müssen, daß es Angst war, die mich entschied, mich auf bestimmten Gleisen fahren, die mich Fehler und Gutdinge bewirken ließ. Ich will zurücksehen und lachend feststellen, daß jede Tat, ob gut ob schlecht, geschah, weil ich es so wollte [oder weil ich es nicht hätte beeinflussen können], daß nicht die Angst mir Hindernis oder Wegbereiter war, sondern mein eigener Wille, der Wunsch, eine bestimmte Richtung zu begehen, einen eigenen Pfad zu wählen.

Es ist ein schweres Vorhaben, das ich faßte, das Streben nach der Unabhängigkeit von der eigenen Angst, fällt es doch schon schwer, mir die Frage zu beantworten, was ich eigentlich beabsichtige, was ich willl, mir ersehne und in welche Richtung ich mich wenden muß, um dorthin gelangen zu können.

Doch in meinem Schädel droht die ewige Frage, die ich nach meinem Ableben keineswegs mit „Ja.“ beantworten will:
War es Angst, die mein Handeln bestimmte?

[Im Hintergrund: Stillste Stund – „An das Morgenlicht“ — „War es nicht das Morgenlicht / Das mir zeigte, dass die Nacht vorüber war?“]

Eierkuchenimitate

Ich gebe zu, daß gekaufte Fertigeierkuchen nicht unbedingt Vertreter kulinarischer Extase darstellen, ja, daß sie mit „echten“, also selbstgemachten, Eierkuchen auf keinen Fall mithalten können. Und doch erwarb ich unlängst zweifach [also nicht nur zu Probezwecken, sondern tatsächlich mit zukunftorientiertem Verzehrbewußtsein] als Pfannkuchen betitelte Eierkuchen, die nur wenige Minuten in einer heißen Pfanne verbringen müssen, um einigermaßen schmackhaft zu werden. Das geht schnell, ist einfach [dementsprechend bestens geeignet für Aufwandsvermeider wie mich] und schmeckt immerhin noch gut genug, um sich daran erfreuen zu können.

Im Gegensatz zu „echten“ Eierkuchen jedoch verfügen die gekauften Produkte über eine wenig erfreuliche Eigenschaft: Sie schmecken nicht kalt. Nicht einmals ansatzweise. Trocken und vor allem erstaunlich fest belästigen sie die Zungenoberfläche und wünschen sich nichts sehnlicher, als erhitzt zu werden.

Dann nämlich, wenn sie ein paar Augenblicke in einer heißen Pfanne verbracht haben, mutieren sie zu annehmbaren Eierkuchenimitaten, deren Farbe noch immer ein wenig abzuschrecken vermag, deren Konsistenz jedoch durch milde Weichheit überzeugt. Und auch der Geschmack läßt sich nun ertragen, insbesondere wenn der Eier- oder Pfannkuchen in einem deliziösen Apfelmus-Zucker-Konglomerat ertränkt wurde.

Mich erstaunt allerdings, daß schlichte Wärmezufuhr genügt, um die Back- bzw. Bratwaren von einem Festkörper- in einen labbrig-eierkuchenartigen Zustand zu wandeln. Nicht minder erstaunt mich, daß, wenn man die Kaufeierkuchen entsprechend zeitintensiv in der Bratpfanne erhitzt, diese wieder einen Festkörperzustand einnehmen – und dann erst langsam anfangen, unhelle Farbtöne anzunehmen.
Ein durchaus interessanter physikalischer Prozeß, an dem ich gerne herumexperimentieren würde, wäre ich nicht zu viel zu hungrig und somit ungeduldig gewesen, um mich mit derartigen Albernheiten aufzuhalten.

Allerdings befürchte ich, daß es bereits eine Galileo-Sendung über dieses Phänomen gibt, weswegen ich meine Gedanken lieber weltbewegenderen Dingen als Eierkuchenimitaten widme.

[Im Hintergrund: Bright Eyes – „Arienette“]

FFFfF: Fledermaussorgen

Der Tag der Einheit hat – wie ich soeben feststellte – überhaupt nichts mit dem heutigen Comicstrip zu tun. Selbst wenn ich mich anstrenge und krampfhaft irgendwelche Zahlenspiele betreiben möchte, fällt mir nichts Gescheites, nichts Eine-Brücke-Zum-Aktuellen-Tagesgeschehen-Bauendes ein.

Darum erwähne ich ohne derartige Einleitung, daß der heutige „Fledermaus Fürst Frederick fon Flatter„-Comicstrip die Nummer 14 trägt und hiermit von mir großzügigerweise veröffentlicht wird.

Fiel Froide und so.


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[Im Hintergrund: Ashes You Leave – „The Passage Back to Life“]