Beschaffungsmaßnahmen

Als ich einst schier unendliche Unmengen frei verfügbaren finanziellen Potentials mein Eigen nannte [Am liebsten hätte ich die Überschrift so wie den Satzanfang genannt…], stellte ich fest, daß es an der Zeit sei, exklusivem Musikgenuß in zweierlei Weise frönen zu wollen: Zum einen als ausschließlicher Konsument der tönenden Klänge, zum anderen aber auch in herausragender Qualität. Nah lag also die Entscheidung, einen nicht unbedeutenden Anteil des vielen Geldes in qualitativ hochwertige Kopfhörer umzutauschen.

Nachdem ich zunächst mit kabellosen Vertretern der Kopfhörergattung ungute Erfahrungen sammelte, entschied ich mich für ein ansprechendes Produkt der Firma Sennheiser, das mich nicht zuletzt mit austauschbarem Kopfhörerkabel beeindrucken konnte. In heimischen Gefilden war es mir von nun an also möglich, von meiner Umgebung abgekapselt Musiken in meinen Schädel strömen zu lassen, ohne andere damit zu belästigen. Schwere Gitarren dröhnten auf mich ein, Schlagzeugsoli entlockten mir ein begeistertes Lächeln – und immer wieder mußte ich mich zurückhalten, nicht mitzusingen, mitzugrölen. Anrufende waren verärgert ob meiner scheinbaren, eigentlich nur partiellen Abwesenheit, meine damalige Mitbewohnerin aber erfreut, nicht länger das Gekreisch und Gelärm ertragen zu müssen.

Irgendwann beschloß dann aber ihr knabberfreudiges Kaninchen, den Geschmack von Kopfhörerkabeln ausprobieren zu wollen und durchtrennte mit einem einzigen Haps das kostbare Kabel. Meine Freude darüber war gering, und alsbald störte mich die Lüsterklemme, die als Notbehelf durchaus funktionierte, aber aus ästhetischen Gründen keine Langzeitlösung darstellen konnte. Ich erfreute mich der damals beim Kauf beachteten Kabelaustauschbarkeit und ging frohen Mutes zum Elektronikfachmarkt meines Vertrauens. Umgehend wurde der Artikel bestellt, und wenige Tage später tauschte ich 30 DM gegen 3 Meter.

Als ich unlängst eine unerträgliche Hörgenußeinschränkung wahrnahm, mußte ich feststellen, daß das teure Kabel abermals beschädigt worden war – diesmal jedoch offensichtlich nicht durch jetzt inexistente Vierfüßer, sondern wohl durch meine Unaufmerksamkeit. ’30 DM.‘, entsann ich mich und gewahrte die unfröhliche Leere in den Tiefen meines Geldbeutels. ‚Das muß auch billiger gehen.‘, hoffte ich und begann das weltweite Netz nach einem Sennheiser-Kopfhörerkabel zu durchforsten.

Auf den Herstellerseiten wurde ich schnell fündig: Erstaunlicherweise verlangte der Ersatzteilshop die gleichen, teuren 15 Euro. Nebenbei allerdings auch noch unverschämt 8,90 Euro für den Versand. Das zu akzeptieren war ich nicht bereit. Leider hielten jedoch die nahezu unerschöpflichen Tiefen des Internets keine weiteren Optionen bereit – und das, obwohl ich ein Kabel mit 2,5 mm und 3,5 Klinkenstecker durchaus als nicht sonderlich ungewöhnlich einstufte.

Auf ging es also erneut zu dem mir längst vertrauten Elektronikfachmarkt, zur Reparaturannahmestelle, dorthin, wo man fröhlich meine Daten aufnahm und versprach, sich bei mir zu melden – wenn ich denn bereit war, mich von anzahlenden 5 Euro zu trennen. Ich war, und erhielt am selben Tag noch eine SMS.

‚Das ging ja schnell.‘ dachte ich erfreut, doch mußte feststellen, daß nur weitere Informationen erbeten wurden. Ich hatte einen falschen Kopfhörertyp genannt, ein Zahlendreher, nicht Weltbewegendes, aber Grund genug für eine erinnernde SMS – und für die Postkarte, die am nächsten Morgen eintrudelte und denselben Informationsbedarf kundtat. Nachdem mich die moderne Kurznachricht, dieser Vertreter des digitalen Zeitalters, angenehm überrascht hatte, stellte die altmodische und überflüssige Postkarte eine neuerliche, aber diesmal unangenehme Überraschung dar.
Kurzerhand stiefelte ich wieder zum Elektronikfachmarkt und korrigierte freundlich lächelnd meine unrichtigen Angaben, darauf gefaßt, noch am selben Tag eine bestätigende Kurznachricht auf meinem Handy entdecken zu können.

Doch nichts dergleichen geschah. Die Wochen zogen ins Land, und der Kopfhörer verstaubte ungenutzt zwischen hölzernen Balken. Mehrmals ertappte ich meine Hand, die willig nach ihm griff, doch dann setzte stets meine Erinnerung ein, die mir verbot, mich mit den unschönen, vom defekten Kopfhörerkabel lädierten Klängen zu widmen.

Irgendwann nutzte ich mein Verweilen in der Nähe des beauftragten Elektronikfachgeschäftes für eine interessierte Nachfrage. Leider hatte ich meinen Anzahlungs-/Auftragseinreichungsschein nicht dabei, was ich bedauerte, aber nicht zu bedauern brauchte, denn der emsige Mitarbeiter unterbrach sogar ein persönliches Gespräch, um meinen Nachnamen in den Computer zu hacken und anhand meiner Kartei möglicherweise neue Informationen hervorzuzaubern. Doch die gab es nicht. „Das kann noch dauern.“, wurde ich getröstet, so daß ich ohne jegliche Kopfhörerkabelbeschaffungserfolge verdrossen heimwärts zog.

Wieder verflogen die Wochen, und wieder drängte es mich, nachzuhaken, was aus meinem sehnlichen Wunsch nach einem intakten Kabel geworden war. Wieder suchte ich den in meiner Erinnerung netten Mitarbeiter auf. Wieder hatte ich keinen Anzahlungs-/Auftragseinreichungsschein dabei. Doch diesmal war er vonnöten, enorm wichtig, ja eigentlich sogar die Bedingung dafür, daß ich überhaupt Worte an den Mitarbeiter richten durfte.

Ich lächelte verlegen, wies eingeschüchtert auf den mit Daten vollgestopften Rechner, unter denen ja womöglich auch meine eigenen sein würden, gab meinen Namen kund, buchstabierte mich, begegnete der unwilligen „Na-gut-wenn’s-denn-sein-muß“-Miene des Bearbeitenden mit einem morastschen „Es-tut-mir-leid-daß-ich-Sie-nerve“-Gesichtsausdruck und wartete geduldig ab, was das Ergebnis seiner schier endlosen Augenstreifzüge über den für mich nicht erkennbaren Bildschirminhalt sein würde.

‚Das ist doch Absicht.‘, vermutete ich, ‚Damit niemand merkt, was für unfähige, Stumpfsinn produzierende Mitarbeiter beschäftigt werden, dreht man die Monitore so, daß wissende Kunden keinen Blick darauf zu werfen vermögen. Vermutlich arbeitet der Elektronikfachgeschäftangestellte jeden zweiten Auftrag ab, indem er scheinbar motiviert auf der Tastatur herumklimpert, aber tatsächlich nur den paßwortgeschützten Bildschirmschoner beackert. Und wahrscheinlich hat der Kerl genau das bei meinem letzten Besuch praktiziert.‘

„Wir haben Ihnen eine Postkarte geschickt.“, unterbrach der wohl doch agierende Angestellte meine Gedankengänge.
„Ja, aber das ist doch schon ewig her.“, reagierte ich flink. „Außerdem stattete ich Ihnen noch am selben Tag einen Besuch ab, um die vorher falschen Informationen zu korrigieren.“
Mein Gegenüber sieht nicht auf, starrt suchend auf den Monitor.
‚Herrscht wirklich ein solches Datenchaos in den Datenbanken?‘, wunderte ich mich. ‚Oder ist die Bildschirmaufteilung so unübersichtlich, daß jegliche Informationen unauffindbar verschütt gehen?‘

„Ach ja, hier steht’s ja.“ Der Elektronikfachmann jubelte fast, bestätigte somit jedoch nicht nur meine Aussagen, sondern auch meine Datenbank-Chaostheorie.
„Das haben Sie sogar bei mir gemacht.“, stellte er fest, „Informationen abgeändert. Auftrag nochmals abgesendet.“
‚Soweit waren wir schon.‘, seufzte ich innerlich. ‚Doch ist mit meinem Kopfhörerkabel?‘
„Nee, da ist noch nichts da.“, zerstörte der noch immer verwirrt wirkende Angestellte meine Hoffnungen.
„Sieht schlecht aus.“, setzte er noch einen drauf.

„Und nun?“, wollte ich fragen, doch ich war längst am Boden zerschellt, brachte keinen Ton mehr hervor.
„Ich schick’s nochmal los.“, meinte der Fachmann eifrig, klickte einmal [‚Einmal?‘, dachte ich beeindruckt und wunderte mich, warum es angesichts solcher Leichtigkeit ein solches Problem darstellte, meine Daten zu überblicken.] und schaute mich zum ersten Mal seit Äonen wieder an.

„Wir melden uns dann.“, ergänzte er unpräzise, aber freundlich und verabschiedete mich.
„Tschüß.“, brachte ich noch raus, und schlich enttäuscht zum Ausgang.

[Im Hintergrund: Minas Morgul – „Schwertzeit“]

FFFfF: Manifestationen

Während mein Bruder mir schonend beizubringen versucht, daß sein Interesse an Fred inexistent ist und daß meine Zeichnungen stets ähnlich auszusehen scheinen [obwohl er beteuert, daß das prinzipiell nichts Schlechtes sei, auch wenn man einen Hauch von Routine erahnen könnte], befrage ich mich selbstzweifelnd, inwieweit überhaupt Interesse an dem täglichen Comic und an der Gesamtheit meiner Internetselbstdarstellung besteht, und ob ich mich nicht belog, als ich behauptete, daß mein Schaffen in erster Linie mir selbst gilt.

Vielleicht hätte ich einfach zu Bett gehen sollen, anstatt den neuen Tag und die nächste Frederick-Veröffentlichung abzuwarten und mich mit lichtlosen Gedanken zu bestücken, die sich derzeit in meinem Kopf zu häufen scheinen, obgleich ich mich in mir lieber dorthin verkrieche, wo das letzte Quentchen Wille sich hinfloh und um seine Existenz bangt.

Die Stagnation wandelte sich zu Resignation mir selbst gegenüber, zur Feststellung, daß ich trotz der Kleinigkeiten, die anderes behaupten, an denen ich mich festkralle, irgendwann in den letzten Monaten mein Dasein verlor.

Mit leisem Lächeln prösentiere ich den 34. Frederick-Comicstrip, der die Geschichte von gestern fortsetzt, aber mit der Liebes-Thematik nicht mehr viel zu tun hat. Allerdings gebe ich zu, daß mir ein wenig die inhaltliche Tiefe fehlt.
Ich hoffe, daß der morgige [heutige] Besuch der Dusche [oder anderer, inspirativer Orte] mich kreativ aufleben lassen wird.

Und so.


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P.S.: Ich habe beschlossen, das hier bei Morast übliche Frederick-Comic-Vorwort bei Frederick in Zukunft wegzulassen und im dortigen Weblog einzig und allein den täglichen Comic zu veröffentlichen.

[Im Hintergrund: Dementi – „Ich Empfinde Nichts“]