vielleicht

Ich hatte dich noch nicht erkannt, als ich schon von dir träumte.
Dein Herz sprach von Schmetterlingen, deine Blicke lächelten wie erwachende Sonnen. Wäre ich haltlos, hätte ich geflüstert, von Sternen gesungen. Wieviele Namen hat ein Leben?
Am Ende des Anfang erfand ich die Sehnsucht, entflammte ein Bilderfeuerwerk träumender Rauschbegierden. Was wäre gewesen, wenn? Kein Wort verläßt die Seele, doch mein Schweigen erzählt von dir.
Ein Märchen vielleicht.

Menschen 10

Eine Rentnerin auf einem Fahrrad, mit dem üblichen Fahrradkorb hinter sich, die sich eine Steigung hinaufquält und dabei vor Anstrengung das Gesicht verzieht, ihre schiefen Zähne zeigt. Als ich vorbeifahre, wird sie sich ihrer Grimasse bewußt und versteckt ihre entblößten Zähne wieder, normalisiert ihr Gesicht und schaut mich unschuldig an.

Der Fahrradweg ist schmal. Mir kommt eine junge Frau entgegen, auf der falschen Straßenseite fahrend. Das stört mich nicht weiter; ich halte mich so weit wie möglich rechts. Die junge Frau jedoch hat genau denselben Teil des Fahrradweges für sich erachtet. Im letzten Augenblick mache ich einen Schlenker und weiche ihr aus, verwundert darüber, daß sie nicht nur auf der [von ihr aus gesehen] linken Straßenseite fuhr, sondern sich auch noch auf dem Weg [von ihr aus gesehen] links orientierte.
Dann wird mir bewußt, daß das Rechts-Fahr-Gebot nur eine von unzähligen Regeln darstellt, die mir von kleinauf eingetrichtert wurden, daß ich vollgestopft bin mit Vorschriften, die jeder für normal erachtet, deren Beachtung aber nicht immer zwingend notwenig ist.
Heimlich lächle ich über die – vermutlich unbewußte – Anarchistin.

Auf der neugebauten Sternbrücke schlendern zwei Mittvierziger entlang, beide mit Bierbauch und Schnaubart verziert. Einer von ihnen bleibt stehen, mustert die blauen Stahlträger der Brücke argwöhnisch, klopft prüfend darauf und murmelt:
„Was das alles wieder gekostet hat…“