Hin- und hergerissen zwischen den Optionen, ins Kino zu gehen oder eine DVD zu entleihen, versuchten G und ich, etwas Zeit in den ansässigen Musik- und Filmwarenläden zu vertreiben, hatten wir uns doch schon fast dazu durchgerungen, gegen 20 Uhr „The Ring 2“ betrachten zu wollen. Eine schwere Entscheidung in Anbetracht der Alternativen „Königreich der Himmel“ und „Die Dolmetscherin“, da uns keiner der drei Filme – und diese repräsentierten die auswählbaren Gutfindmöglichkeiten unter dem ganzen wenig überzeugendem Filmangebot des Lichtspieltheaters – wirklich anzusprechen vermochte. Mittels eines raffiniert ausgeklügelten Punktesystems kürten wir „The Ring 2“ [bzw. „o2“, wie ich ihn nannte] zum Sieger, verloren allerdings die prinzipielle Entleihbarkeit von DVDs nicht aus den Augen. Allerdings sei erwähnt, daß die letzten Videotheksbesuche stets in einer „Vom-Schlechten-Das-Beste-Nehmen-Müssen“-Auswahl geendet hatten, weswegen wir diesbezüglich Vorsicht walten ließen.
Kurz und gut. Sowieso inmitten der Innenstadt verweilend, neigten wie dazu, dem erwählten Kinofilm den Vorzug zu geben. Es war halb acht, und mit einiger Überzeugung wußten wir zu behaupten, daß Kinofilme stets gegen 20 Uhr begonnen wurden, was uns die Möglichkeit gab, noch ein wenig schlendernd durch die erwähnten Läden zu streifen.
„Sag mir, daß ich nichts kaufen will, wenn ich etwas kaufen will.“, forderte ich G auf, überfällige Sparmaßnahmen einleitend.
Im „Müller“ druchstöberten wir Metal-CDs, einigten uns auf die Negativität der Monotonie der musikalischen Ergüsse von Dark Throne, amüsierten uns über ein Ozzy-Album, das diesen als düsteren Prinzen betitelte, lauschten einem schrecklich unguten HIM-Liveauftritt und verliefen uns dann in die DVD-Abteilung. [Amüsant: „From Hell“ für 6,66 Euro.]
Plötzlich: Eine Entdeckung. „The Powerpuff Girls Movie“ für nur 4,95 Euro! Das konnte doch nicht wahr sein! Sowohl G als auch ich waren schon längst bekennende Anhänger der süßen kleinen Zeichentrickfigürchen, hatten unabhängig voneinander zu dieser Serie gefunden und waren voller Faszination an ihr hängengeblieben. Besonders Bubbles, das niedlichste der drei Powerpuff Girls, hatte es uns angetan.
Erst vor kurzem hatten wir erfahren, daß es einst einen Kinofilm gegeben haben mußte, wollten aber amazon.de für derartige Albernheiten kein Geld in den Rachen werfen. Doch nun begegneten wir dem Film, begegneten wir einer DVD der entzückenden Powerpuff Girls, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Tag noch vor dem Schlafengehen zu retten.
Der Preis 4,95 Euro überzeugte uns, und wir nahmen die DVD mit. Zwei finster gewandete Mitzwanziger mit einem knuffigen Zeichentrickfilm in der Hand – Grund genug für eine verhüllende Plastiktüte.
Nun aber konnte „o2“ beginnen. Wir stiefelten zum Kino, in die Eingangshalle, betrachtetenden die Vorstellungsausweisenden Monitore. „The Ring 2 – 22.45 Uhr“. Mist.
Es war zehn vor Acht. Ein Zeitplan mußte her:
Kurzer Abstecher zu real. Spätestens 20 Uhr raus. Straßenbahn erwischen. Heimfahrt. 20.30 Uhr. Fernseher organisieren. Powerpuff-DVD schauen. 22 Uhr. Zum Kino fahren. 22.30 Uhr. Perfekt.
Nur widerwillig rückte meine Mitbewohnerin ihren Fernseher raus, wollte sich an der Filmbetrachtung beteiligen, zog sich dann aber zurück, als sie von den „Powerpuff Girls“ hörte. Sie kannte die Serie nicht, kannte nicht ihren Reiz, doch fehlte ihr die Neigung zu Zeichentrickfilmen im allgemeinen.
Der Film war klasse. Bubbles wundersüß. Sicherlich beinhaltete der Film nicht viel mehr als eine Serienepisode in Spielfilmlänge, doch war er maßgeblich wichtig für alle Freunde der Powerpuff Girls, wurden doch die Anfänge erläutert, die Zusammenhänge zwischen Mojo Jojo, der früher nur Jojo war, und dem Professor, die Ursache der Entstehung der Sternwarte auf dem Vulkan, die Mojo Jojo als Domizil dient, ja sogar die Einrichtung des Notfalltelefons [mit großen Kulleraugen und einer rot blinkenden Nase].
Ja, es war ein Film für Kinder [FSK ab 6], wenngleich einige Szenen doch erstaunlich brutal waren [für Kinder, meine ich]. Ja, es gab keine tiefsinnig-philosophische Handlung. Ja, es war „nur“ ein zeichentrickfilm.
Aber er war toll, niedlich, überzeugend.
Und als hätte das nicht gereicht, gab es auch noch wenige, aber exquisite DVD-Extras zu bewundern. Insbesondere die Interviews mit den „Darstellern“ waren äußerst amsüsant…
Doch ich schweife ab.
Ich brachte den Fernseher zurück, so daß meine Mitbewohnerin sich noch in den Schlaf flimmern lassen konnte, und wir begaben uns zum Kino.
Bepackt mit Tortilla-Chips betraten wir Saal 2. Er war leer – und sollte auch während des gesamten Films nur von uns beiden besetzt sein. Unheimlich.
Die unangenehmen Produktinformationen überbrückten wir, in dem wir versuchten, möglichst schnell zu erraten, welche Ware beworben wurde. Aus diesem Spiel ging allerdings kein eindeutiger Sieger hervor. Es folgten die üblichen Filmtrailer und dann – endlich – der Film.
„The Ring 2“ war langweilig, öde, voraussehbar. Nicht spektakulär, für einen Horrorfilm mit erstaunlich wenig Schreckmomenten bestückt. Das Mädchen aus dem Bbrunnen hatte seinen Grusel verloren. Nur der komische kleine Junge, der eigentlich auf der guten Seite stand, war mir unsympathisch.
Insoweit es sinnvoll ist, über Horrorfilmhandlungen zu meckern, will ich das hiermit praktizieren. Schließlich war zwar die Heldin des Filmes so schlau gewesen, nach tiefergehenden [in Teil 1 nicht erfaßten] Ursachen des Horrors zu forschen, gab sich aber schnell mit halben Ergebnissen zufireden, die einen dritten Teil ahnen ließen. Auch agierte sie absolut widersprüchlich [„Ich rette das Mädchen aus dem Brunnen, indem ich sie freilasse, dann sehe ich, was ich angerichtet habe, opfere meinen Sohn, der dann aber doch weiterlebt. Ich muß festsellen, daß das Mädchen aus dem Brunnen – Samara [Der Name erinnerte mich übrigens die ganze Zeit an einen alten Lada.] – auch noch weiterspukt, so daß ich als Heldin und Mami gezwungen bin, mich selber zu opfern, im Brunnen lande, mich zur Verfügung stelle, es mir dann aber doch anders überlege, abhaue und Samara genauso einsperre, wie es ihre Adoptivmutter einst tat – und damit zur Fluchkreation beitrug.“] und albern.
Einzig der Samara-Brunnenwand-Kletterstil war erwähnenswert positiv.
Wir verließen das Kino mit entsprechender Enttäuschung, stellten fest, daß um diese Uhrzeit auch keinerlei öffentlicher Personennahverkehr als wegverkürzendes Transportmittel zur Verfügung stand, und liefen nach Hause, innerlich besänftigt durch das Wissen, zwar mit „o2“ einen miesen, ab mit „The Powerpuff Girls Movie“ einen wirklich guten Film gesehen zu haben.
Und wieder haben die Powerpuff Girls den Tag gerettet…